Seit einigen Monaten kursieren spannende Geschichten über ein unbekanntes Wesen in den SocialMedias. Es scheint, als ginge es um eine verwunschene, seelenlose Gestalt, die im Auftrag böser Geister auf unserer Erde weilt. Die Rede ist vom Herdenschutzhund.
Wir erleben fast täglich, dass man Hunde aufgrund ganz unspezifischer Merkmale in die Kategorie Herdenschutzhund packt und damit in die Ecke des gefährlichen Monsters stellt. Hundeschulen nehmen keine "vermeintlichen" Herdenschutzhunde in ihr Training. Eine Frau, die sich für einen Hund aus dem Ausland interessierte und sich im Vorfeld bereits bei einer Hundeschule anmelden wollte, bekam vom Trainer Folgendes zu hören: Wenn es ein Hund aus dem Tierschutz ist, ist er nicht sozialisiert. Das ist leider schon fast eine Zumutung, in unserer Schule eines Züchters, die sich dadurch in große Gefahr geben. Falls es eine sehr kleine Rasse ist, kann man versuchen, was von der Sozialisierung noch nachzuholen. Bei den mittelgroß bis großen Hunden ist dies meist aussichtslos. Diese werden aggressiv und nicht erziehbar bleiben. Solche Auslandshunde sind oft problematisch und eine große Herausforderung, selbst für die besten Hundeführer. Es ist auch überhaupt kein gutes Werk, so einen Hund aufzunehmen. Sie unterstützen indirekt eine böse Vermehrungsindustrie, die es ohne den deutschen Tränendrüsenmarkt gar nicht gäbe. Holen Sie sich lieber irgendeinen in Deutschland aufgewachsenen Hund. Der ist nicht teurer, hat aber keinesfalls eine beschädigte Psyche.
Es ist alarmierend, wie viele Unwahrheiten in so wenigen Sätzen von einem "angeblichen" Hundetrainer kommen. Leider ist dieser Beruf nicht geschützt und jeder selbsternannte Fachmann kann sein "Wissen" verbreiten und damit Angst und Schrecken erzeugen. So ist es uns passiert, dass eine Familie mit ihrem vier Monate alten Welpen in die Hundeschule gegangen ist und dort folgendes zu hören bekam: „Der Hund hat große Füße, der wird bestimmt mal 50 cm groß und ist ein Herdenschutzhund. Der wird ganz sicher eine große Gefahr für ihre Kinder. Da müssen sie jetzt schon aufpassen und ihn mit harter Hand erziehen.“
Die Frau, die sich noch vor zwei Wochen riesig auf ihr neues Familienmitglied gefreut hatte, sah nun eine Gefahr für Leib und Leben in ihrem Hundebaby und bat uns, diesen gefährlichen Hund doch bitte sofort zurückzunehmen. Das haben wir selbstverständlich im Sinne des Hundes getan.
Mich erinnert das an Zeiten von Corona, wo auf einmal jeder seinen (bis dahin im verborgenen gelassenen) medizinischen Sachverstand kundtun musste.
Heute sind es die Hunde, zu denen Frau/Mann ihre/seine Meinung hat und gern verbreitet.
Mit den Begriffen Hütehund und Herdenschutzhund wird jongliert, als wäre es ein weiterer Volkssport. Worte wie: bellfreudig, dominant, beschützen, hüten, wachen etc. werden aus dem Kontext gerissen und bekommen eine gefährliche Eigendynamik.
In falschen Händen kann jeder Hund gefährlich werden. Die Diskussion vor einigen Jahren über den sogenannten "Kampfhund" hatte dies bereits deutlich werden lassen.
Wenn man sich die Aussagen über Hunde so anschaut, fällt auf, dass viele Menschen ihr menschliches Denken auf den Hund übertragen und es aus ihrem Blickwinkel interpretieren. Hundehalter, die ein Problem mit ihrem "männlichen Ego" haben, sind ebenfalls problematisch.
Es gibt zunehmend mehr Menschen (mit zweifelhaftem Sachverstand), die sich berufen fühlen, ihre Meinung zum Thema Hund kundzutun. Was eignet sich da besser als die Social Medias.
Für Hundeanfänger ist nur schwer erkennbar, welcher Trainer wirklich gut ist.
Von etwas keine Ahnung zu haben, ist nicht schlimm. Zum Glück gibt es Experten, die man dann um Rat fragen kann.
Eine anerkannte Expertin zum Thema Herdenschutzhunde ist Miriam Cordt. Aus ihrer Infobroschüre "Was braucht der Herdenschutzhund zu seinem Glück" stammen folgende Worte:
„Die HSH genießen den guten Sozialkontakt zu ihren Menschen, aber ein permanentes Vorschreiben von Verhaltensweisen finden sie lästig und unnötig. Besonders wenn derjenige, der über sie zu bestimmen gedenkt, in ihren Augen dazu keine Berechtigung hat, weil er sich beispielsweise als unbeherrscht, gewaltbereit und unzuverlässig erweist, anstatt souverän, führungskompetent, vorausschauend und fürsorglich.
In meiner Tierschutzarbeit und in der Verhaltensberatung in meiner Hundeschule www.dog-inform.de erlebe ich die unglaublichsten Ansichten: so scheinen leider einige Menschen einen derben Schlag ins Gesicht des HSH, ein kräftiges Kneifen in diverse Körperregionen als „Basisausrüstung“ in der Erziehung von HSH zu verstehen, damit sich der Mensch als „Anführer durchsetzt“. Diese Einstellung ist brutal und einfältig! Mir blutet dabei immer das Herz, erlebe ich doch diese faszinierenden Wesen als außerordentlich feinfühlige und sensible Hunde. Sind unsere Tierschutz-HSH endlich in den Genuss der Fürsorge von verständigen Menschen im familiären Zusammenleben gekommen, möchten sie diese nicht mehr missen.“
Herdenschutzhunde sind faszinierende Wesen mit einer überaus eindrucksvollen Ausstrahlung. Ganz sicher passen sie nicht in jede Familie und sollten nur angeschafft werden, wenn alle Rahmenbedingungen passen.
Aber dies gilt für jede Rasse!!
Denn sie alle haben bestimmte Rassemerkmale, die zu ihren Menschen passen sollten. Wer dies bei seiner Wahl nach einem Hund berücksichtigt, wird seinen Hund ganz sicher als Bereicherung erleben. Auch wenn man immer wieder liest, dass Herdenschutzhunde keine Familienhunde, stur und nicht erziehbar sind, lasst euch nicht beirren. Ein Herdenschutzhund kann durchaus ein Familienhund sein - aber eben kein typischer. Ein Hund für den nicht typischen Menschen.
Herdenschutzhündin Samira lebte lange Zeit im Shelter, hier mit ihrer Freundin.
Herrliche Schmuseszene
Boss kam als Junghund schwer traumatisiert aus Spanien
Herdis glücklich vereint in der Familie eines Vereinsmitglieds - alle galten als Problemhunde
Michel sollte extrem schwierig sein und lebt heute völlig unkompliziert mit Kindern, Hunden und Katze.
Rhin glücklich zwischen Kindern und Hunden
usw. usw. usw. ………
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